Flüchtlingsrat Niedersachsen appelliert an die Landesregierung zur Aufnahme Geflüchteter aus Bosnien

Der an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius adressierte Appell wurde am 4. Januar 2021 formuliert. Da sich auch der Landkreis Helmstedt – und damit die Gemeinde Lehre – zum „Sicheren Hafen“ erklärt hat, hätte ein Einlenken der verantwortlichen Politiker*innen auch Auswirkungen auf die Arbeit des Vereins. Auch Willkommen in Lehre e.V. unterstützt den Appell durch seine Unterzeichnung.

unterstützt und unterzeichnet den Appell.

42 Städte, Landkreise und Gemeinden in Niedersachsen haben sich zu Sicheren Häfen erklärt

In Bosnien sind seit dem 23. Dezember rund 900 Geflüchtete in den Ruinen des abgebrannten Camps Lipa bei Bihac dem bosnischen Winter schutzlos ausgeliefert. Vor Silvester war ihre Evakuierung in eine als Notunterkunft geplanten ehemaligen Kaserne südlich von Sarajevo an innerbosnischen Konflikten gescheitert. Darüber hinaus müssen tausende weitere Schutzsuchende im Norden Bosniens bei klirrender Kälte in wilden Camps, Ruinen oder Zelten ausharren.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen appelliert vor diesem Hintergrund an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius, umgehend die in Lipa und in den weiteren Camps im Norden Bosniens Hunger und Kälte schutzlos ausgesetzten Geflüchteten in Niedersachsen aufzunehmen und dafür ein entsprechendes Landesaufnahmeprogramm vorzulegen.

Sascha Schießl vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

„Seit Jahren riegelt die EU die kroatisch-bosnische Grenze ab, drängt Schutzsuchende mit Gewalt nach Bosnien zurück und schiebt so die Verantwortung für die Schutzsuchenden auf den ohnehin kaum funktionierenden bosnischen Staat ab. Damit hat die EU die humanitäre Notlage in Lipa und anderen Orten Bosniens überhaupt erst geschaffen. Die europäischen Staaten müssen nun endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und die Schutzsuchenden aufnehmen. Dazu muss auch Niedersachsen seinen Beitrag leisten.“

Allein in Niedersachsen haben sich 42 Städte, Gemeinden und Kommunen zu Sicheren Häfen erklärt, verfügen über Unterbringungskapazitäten und stehen zur Aufnahme bereit. Die Bereitschaft, Geflüchtete aus den Elendslagern an den europäischen Außengrenzen aufzunehmen, ist also enorm. Auch in den Landesunterkünften sind laut dem niedersächsischen Innenministerium derzeit rund 3.000 Aufnahmeplätze ungenutzt. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erinnert auch daran, dass die allermeisten Menschen, die jetzt in Bosnien gestrandet sind, zuvor Schutzsuchende in Griechenland waren und dort schon von den Behörden sich selbst überlassen worden. Die Balkanroute blieb für die Schutzsuchenden dann der einzige Ausweg. 

Als empörend und absolut unzureichend kritisiert Pro Asyl – Geschäftsführer Günter Burkhardt das Nichthandeln der Europäischen Union und der EU-Staaten. „Wir erleben ein Totalversagen der Europäischen Union und der EU-Mitgliedsstaaten. Kroatien prügelt die Schutzsuchenden an der EU-Grenze zurück, die gesamte EU schaut tatenlos zu. Deutschland, Österreich und Italien beraten nun nur über Notfallmaßnahmen vor Ort. Es gibt in Zelten vor den Toren der EU aber keine Chance auf Schutz und Asyl. Die Grenzen müssen geöffnet und die frierenden Menschen innerhalb der EU aufgenommen werden. Die Situation ist eine unmittelbare Folge der illegalen Push Backs und der Mißachtung des EU-Rechts an der Grenze durch Kroatien. Jeder Tag zählt.“

Hintergrund

Am 23, Dezember 2020 hat sich die Internationale Organisation für Migration (IOM), die die meisten Notunterkünfte in dem Land leitet, aus dem Camp Lipa bei Bihac im Norden Bosniens zurückgezogen, weil die Bedingungen völlig unzumutbar waren und das Lager zu keinem Zeitpunkt winterfest war. Von Beginn an fehlten Strom, Heizung und fließendes Wasser. Das Gelände war niemals für eine Unterbringung von Menschen im bosnischen Winter geeignet. Das Camp wurde anschließend von den bosnischen Behörden geräumt, die Schutzsuchenden wurden sich selbst überlassen. Während der Räumung ist das Camp auch noch abgebrannt. Die bosnische Polizei hat in den Tagen danach verhindert, dass die Menschen das Gelände verlassen. Seither wurde um eine alternative Unterbringung der Menschen gerungen. Bei der immer wieder genannten Alternative. das geschlossene IOM-Camp Bira in Bihać wiederzueröffnen, stellt sich die Stadt Bihac quer. Ohnehin haben NGOs das Camp Bira (eine große Lagerhalle) wegen der schlechten Bedingungen immer wieder kritisiert. Seit Anfang diesen Jahres bauen die bosnischen Behörden das Camp Lipa nun erneut auf. Auch dabei ist klar, dass Lipa kein winterfestes Camp werden wird.

Originallink zur Pressemtteilung des Flüchlingsrats